Haushaltsdebatte 2017
Am Donnerstag, den 24.11. debattierte die Stadtverordnetenversammlung über den Haushalt für 2017 (siehe auch den Bericht in der Taunuszeitung vom 28.11.). Trotz einstimmiger Zustimmung zu dem Haushaltsentwurf traten doch die Differenzen zwischen den Franktionen uns insbesondere Oposition und Koalition hervor. Die Rede unserer FDP-Fraktionsvorsitzenden, Frau Haindl-Mehlhorn, hat sich dabei angenehm durch ihren erfrischend konstruktiven und zukunftsgerichten Ansatz hervorgetan, weshalb wir die Rede hier nochmal im Wortlaut veröffentlichen:
Rede der Vorsitzenden der FDP-Fraktion anlässlich Verabschiedung des HH-Plans 2017, Stadtverordnetenversammlung Friedrichsdorf 24.11.2016
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
bitte lassen Sie mich, bevor ich mich dem Haushalt zuwende, ein paar grundsätzliche Worte loswerden. Die letzte Kommunalwahl liegt noch kein Jahr zurück. Die Wahlbeteiligung lag erneut bei nur noch rd. 50 %. Das heißt, die Hälfte der Wahlberechtigten hat sich von der Teilhabe an der kommunalen Demokratie verabschiedet. Das kann niemanden von uns freuen.
Uns allen hier im Stadtparlament stünde es daher gut zu Gesicht, darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir zu einer Trendwende leisten könnten, auch angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl.
Wir von der FDP-Fraktion sehen hier drei Tätigkeitsfelder:
1. Die Form unseres Umgangs miteinander
Wenn schon wir uns in unserer politischen Meinungsvielfalt nicht gegenseitig sichtbar respektieren, können wir auch von Wahlberechtigten keine Wertschätzung erwarten. Keine Wertschätzung für die Politiker führt zu Wahlverweigerung oder zu sog. Protestwahlen. Zum gebührenden Respekt gehört übrigens auch, dass man zuhört, wenn die Opposition das Wort ergreift.
2. Sachbezogene Politik statt Lagerdenken
Wir wollen den Wahlberechtigten nicht den Eindruck vermitteln, dass Vorschläge nur von Qualität sind, wenn sie von der eigenen Fraktion kommen. Das bedeutet, wir lehnen Vorschläge nicht deswegen ab, weil sie aus dem anscheinend anderen Lager kommen. Wir respektieren natürlich, wenn Mitglieder der Regierungskoalition das anders sehen, bitten aber um Respekt für die Aufgabe der Opposition, Alternativen einzufordern und aufzuzeigen.
3. Die Gestaltung unserer grundlegenden Zukunftsfragen
Damit bin ich beim Haushaltsplan 2017.
Wir schätzen die handwerklich solide Verwaltungsarbeit vom Bürgermeister und seinen Mitarbeitern. Hierfür gebührt der Verwaltung Dank und Anerkennung, und als solche wollen wir die Zustimmung der FDP-Fraktion zum Haushaltsplan 2017 auch verstanden wissen.
Sie, Herr Bürgermeister, schreiben es ja selbst im Vorbericht: Die Steuereinnahmen sprudeln noch immer reichlich(+ 30% in den letzten 5 Jahren.). Die schwarze Null verdanken wir also unseren fleißigen Steuerzahlern und nicht der Haushalts-Politik der Koalition! In solch guten Zeiten mit üppigen Einnahmen einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ist keine Kunst, es ist eine Pflicht!
Ein ausgeglichener Haushalt ist erst recht eine Pflicht und mitnichten eine Kunst, wenn selbst in diesen wirtschaftlich guten Zeiten noch dazu die Gebühren für Kitas, für Wasser und die Gewerbesteuern erhöht werden! Die FDP-Fraktion hat den Gewerbesteuererhöhungen und der Wasserpreiserhöhung nicht zugestimmt.
Der uns vorgelegte Haushaltsplan für das Wirtschaftsjahr 2017 erfüllt also die Minimalanforderung, ist ordentliches Verwaltungshandeln. In Schulnoten ausgedrückt wäre das ein „Ausreichend“. Ehrlich gesagt hatten wir nach den vollmundigen Ankündigungen von Bürgermeister und Koalition nach der Kommunalwahl einen größeren Wurf erwartet. Der ist leider nicht gelungen.
Denn dieser Haushaltsplan schweigt weitgehend zu den Grundlagen für die Gestaltung unserer Zukunft. Lassen Sie mich dazu beispielhaft einige Felder, die wir nachhaltig beackern müssen, herausgreifen:
1. Die Zukunft unserer Kinder
Friedrichsdorf hat die Kinderbetreuung in den letzten Jahren systematisch ausgebaut, die FDP hat das und die teilweise Weitergabe der Kostenerhöhungen an die Eltern mitgetragen . Und das, obwohl wir Freie Demokraten Kitas ebenso wie Schule als Bildungseinrichtungen sehen, die grundsätzlich kostenfrei sein sollten. Weil das aber nur über den Landesgesetzgeber geht und uns der weitere Ausbau der Betreuungseinrichtungen wichtig ist, stimmen wir auch der diesjährigen Gebührenerhöhung um 7,5 % zu.
Mit ausreichend Plätzen ist aber die Zukunftsaufgabe Kinderbetreuung und -erziehung noch nicht erledigt: Das Personal muss quantitativ und qualitativ gerüstet sein, muss mit den veränderten Aufgaben mitwachsen! Das bedeutet gute Fortbildung, Messen der eigenen Arbeit an erfolgreichen Entwicklungen in vergleichbaren Einrichtungen, ständiges Lernen. Die FDP-Fraktion hat dazu den Antrag zur „Qualitätsoffensive Frühe Bildung“ gestellt, der hoffentlich nun bald im JSA behandelt wird.
Grundsätzlich merken wir an, dass die Ausgaben für Fortbildung quer durch die gesamte Verwaltung, also auch in den Kinderbetreuungseinrichtungen, sehr gering sind[1]. (Für die Kita-Einrichtungen werden bei Personalkosten von 5,6 Mio gerade einmal T€ 18 eingeplant). Das muss im kommenden Haushaltsjahr auf den Prüfstand gestellt und spätestens im Haushalt 2018 geändert werden.
2. Die Zukunft unserer Jugend
Seit ich in dieser Stadt Kommunalpolitik mache, sind Jugendhäuser, ob zentral oder dezentral, ob Café oder Haus genannt, ein Dauerthema. Das Ergebnis zum Jahresende 2016: Das Jugendzentrum in Burgholzhausen ist für Jugendliche nicht mehr verfügbar, das in der Taunusstraße nur sehr begrenzt für ausgewählte Gruppen, z.B. 10 Jugendlichen für die Über-Mittag-Betreuung. Der Haushalt 2017 rechnet zu den Einrichtungen der Jugendarbeit die Spielplätze mit ca. T€ 200 pro Jahr hinzu sowie Personal im Jugendzentrum Burgholzhausen, das zumindest zurzeit nicht für die Betreuung Jugendlicher genutzt wird. Er gibt also ein falsches Bild, was den Stellenwert der Jugendarbeit angeht.
Wir von der FDP-Fraktion haben es folglich begrüßt, dass die Koalition den auch von uns geplanten Antrag, T€ 50 für die Einrichtung eines zentralen Jugendcafés in den Haushalt einzustellen gestellt hat. Die Suche nach einer geeigneten Immobilie in der Innenstadt muss JETZT beginnen, und wir dürfen uns dabei nicht wieder von vornherein auf eine einzige, vielleicht mietbare Immobilie festlegen. Wir haben reichlich Leerstand in der Stadt. Da wird sich doch zügig ein Platz finden, in dem unsere Jugendlichen sich aufhalten können. Die FDP-Fraktion möchte möglichst bald mehrere Alternativen vorgestellt bekommen. Ich persönlich bin es ehrlich gesagt leid, immer wieder Diskussionen darüber hören zu müssen, dass die Jugendlichen eigentlich auf jedem Flecken Grün, auf jedem Platz der Stadt stören. Das Zögern und das Gerede müssen endlich durch Taten ersetzt werden!
3. Die Zukunft der älteren Generation
Der 7. Altbenbericht der Bundesregierung fordert die Übernahme stärkerer Verantwortung der Kommunen bei der Vorsorge für die immer größer werdende Zahl ihrer älteren Bürgerinnen und Bürger, wie bei der Vorsorge für Wohnraum bis hin zu Betreuungseinrichtungen in den Quartieren. Im vorliegenden Haushaltsplan ist aber so gut wie nichts dergleichen zu finden. Stattdessen ist direkt oder indirekt nur die Rede von Freizeitgestaltung für Senioren. Die wird dann auch noch seit vielen Jahren weitgehend von einem sehr aktiven Seniorenbeirat ehrenamtlich organisiert und durchgeführt. Sonst würde fast nichts passieren. Dem Seniorenbeirat für seine ausgezeichnete Arbeit unseren herzlichen Dank! Übrigens sind wir sehr auf den anstehenden Altenbericht der Stadt gespannt!
4. Die Zukunft der Innenstadt
Auch so ein Thema, das uns schon sehr lang begleitet. Bürger, Gewerbe und Politik sind sich einig, dass es bei der Attraktivität unserer Kernstadt reichlich „Luft nach oben“ gibt. Nun findet also wieder eine Planungswerkstatt statt, die sich mit der zukunftsfähigen Gestaltung der Innenstadt beschäftigt. Wir haben einen solchen integrierten Ansatz immer befürwortet, wir finden es gut, dass die Bürger sich so ideenreich beteiligen! Und wir haben die Hoffnung, dass hier eine echte Neugestaltung gelingt, nicht nur eine teilweise Nachbesserung und Retusche des Bestehenden!
Aber: Der Haushalt spiegelt von diesen Ideen zur Zukunftsgestaltung nicht einen Cent wider. Da sind zwar einige Euro Beratungskosten eingestellt, aber im Investitionsplan ist nicht einmal ein Merkposten „Innenstadtplanung“ enthalten. Ist dieses Projekt wirklich ernst gemeint? Ihr Argument, Herr Bürgermeister, dass man nichts einstellen könne, weil man ja nicht wisse, wie viel die Realisierung der Ideen kosten wird, ist deswegen nicht stichhaltig, weil wir seit Jahren die Neugestaltung der Bleiche im Investitionsplan stehen haben, diesmal mit T€ 700, von der wir auch nicht wissen, was sie kosten wird. Wir von der FDP-Fraktion hätten uns hier ein deutlich sichtbares Signal gewünscht, dass und wann das Projekt Innenstadtgestaltung wirklich umgesetzt wird. Die Verwaltung und Sie, Herr Bürgermeister, haben doch mit der Ausschreibung von Projekten wie PPH-Siedlung, Sportpark, etc. genügend Erfahrung, um hier wenigstens für die Ausschreibungsverfahren stichhaltige Zahlen- und Zeitschätzungen liefern zu können.
5. Die Zukunft der Wirtschaft in unserer Stadt
Eine lebenswerte Stadt braucht ein lebendiges Wirtschaftsleben. Für unsere Lebensqualität brauchen wir auch in Zukunft den attraktiven Einzelhandel und Gewerbe und Arbeitsplätze vor Ort. Das ist eine Querschnittaufgabe für das gesamte Rathaus, die der Bürgermeister zu führen hat. Darum kümmern muss sich aber zunächst eine aktive und ideenreiche Wirtschaftsförderungsabteilung. Das setzt selbstverständlich eine entsprechende personelle und finanzielle Ausstattung voraus. Aber in unserem Haushalt sind für den Produktbereich Wirtschaftsförderung (1501) gerade einmal T€ 296 und nicht einmal eine ganze Stelle eingeplant. Darin enthalten sind die Kosten für die Fremdenverkehrswerbung ebenso wie die Pflege der Homepage mit dem Immobilienportal, die Unterstützung von Neugründern ebenso wie die Bestandspflege. Zum Vergleich: Für unsere Sportstätten und Bäder geben wir 1,2 Mio € aus, für die Heimatpflege T€ 214, für Theater und Musik T€ 292, für die Musikschule T€ 67… Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Das sind ebenfalls alles wichtige Aufgaben und Ausgaben! Damit wir uns die auch in Zukunft leisten können, brauchen wir viele Gewerbesteuerzahler in unserer Stadt!
Friedrichsdorf ist ein guter Standort mit seiner Lage im Rhein-Main-Gebiet und der Anbindung an Autobahnen und Schienenverkehr. Auch das Glasfasernetz trägt sicher zur Attraktivität des Standorts bei, ebenso unsere Betreuungs- und Kultureinrichtungen und die gut ausgebildete Bevölkerung. Wir von der FDP-Fraktion möchten sehen, dass die Stadt hieraus etwas macht. Dabei helfen kann ein inspirierter Expertenblick von außen mit kreativen Ideen, z. B. aus der Perspektive eines Startups auf dem Gebiet Industrie 4.0. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, die Mittel für die Wirtschaftsförderung um T € 70 zu erhöhen. Auch wenn daraus nun nur T€ 50 wurden und diese zudem unter Sperrvermerk stehen, freuen wir uns, dass diesem Merkposten zugestimmt wurde. Wir sind zuversichtlich, dass Koa und CDU uns bei Vorschlägen, wie die Mittel verwendet werden sollen, unterstützen werden.
Wir haben hier in Friedrichsdorf einen ehrenamtlichen Wirtschaftsbeirat und einen ebenfalls ehrenamtlich organisierten Gewerbeverein. Beide Organisationen, denen wir herzlich danken, haben sich in der Vergangenheit intensiv ums Stadtmarketing gekümmert und viele sehr erfolgreiche, weit über Fdf hinaus bekannte Veranstaltungen organisiert. Das kommt uns allen zugute. Wir unterstützen daher den Antrag der CDU, das Budget für den Gewerbeverein um T€ 10 zu erhöhen.
5. Die Zukunft der Verwaltung
darf auch nicht vergessen werden. Denn auch in den Rathäusern von morgen (und ,morgen‘ wird schon in wenigen Jahren sein) wird sich fast alles verändern. Vor 10 Jahren hätte niemand gedacht, dass wir Stadtverordnete unsere Unterlagen bald auf dem iPad lesen und verarbeiten. In 10 Jahren werden die Bürger vielleicht nur noch elektronisch mit dem Rathaus kommunizieren. Die Auswirkungen einer sich wandelnden Gesellschaft auf die Organisation im Rathaus gilt es schon heute zu bedenken. Wir müssen jetzt anfangen, die Verwaltung vorzubereiten z.B. durch Fortbildung. T€ 70 p.a. für Fortbildung einer Verwaltung der Größenordnung des Friedrichsdorfer Rathauses sind, ich habe es im HFA bereits angemerkt, zu wenig. Die FDP-Fraktion erwartet im kommenden Jahr eine im Hinblick auf die Zukunftsaufgaben kritische Überprüfung von Fortbildungsangebot und -inanspruchnahme ebenso wie eine ernsthafte erneute Überprüfung der Möglichkeiten interkommunaler Zusammenarbeit.
Fazit:
Politik und Verwaltung müssen neue Herausforderungen annehmen. Dafür müssen wir Bestehendes in Frage stellen, uns neuen Wegen gegenüber offen zeigen. Dass wir das können, hat die Bewältigung der Aufgabe, vor die uns der Flüchtlingszustrom im letzten Jahr gestellt hat, eindrucksvoll gezeigt. An dieser Stelle noch einmal unser herzlicher Dank an alle, die dabei geholfen haben!
Die ständige Steigerung von Steuersätzen ist gewiss keine nachhaltige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft!
Die FDP-Fraktion trägt den vorgelegten Haushaltsplan 2ß17 trotz der dargelegten Mängel und Lücken mit, weil er solides Handwerk ist. Wir fordern allerdings gleichzeitig eindringlich, dass das Jahr 2017 ein Jahr der Zukunftsplanung wird. Das MUSS sich im Haushaltsplan 2018 dann endgültig widerspiegeln. Wir müssen endlich unseren Blick weiten und unsere Aufmerksamkeit über den Ersatz und die Pflege des Bestehenden hinweg auf die Gestaltung der Zukunft und die dafür nötigen Investitionen richten. Eine attraktive Innenstadt ist ebenso Vorsorge für künftige Generationen wie die Ansiedlung von Arbeitgebern und Gewerbesteuerzahlern. Wir hoffen sehr, dass wir gemeinsam im kommenden Jahr ein gutes Stück voran kommen mit dem Beginn der Zukunft in Friedrichsdorf. Wir werden konstruktiv und offen daran arbeiten.
In diesem Sinne wünsche ich allen eine nachdenkliche, besinnliche Weihnachtszeit und ein aktives und kreatives 2017! Herzlichen Dank!
24.11.2016
Evelyn Haindl-Mehlhorn
[1] Produkt 0604 – Tageseinrichtungen für Kinder:
Personalkosten HH 17: 5,6 Mio.
Aufwendungen für Fort- und Weiterbildung 18 TEUR (Konto 6880000), d.h. trotz gestiegener Mitarbeiterzahl gegenüber dem Ist 2012 – 2014 von 20 – 23 TEUR sogar rückläufig (Ist 2015 war mit 17 TEUR auch schon niedrig.)